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Magische Realität

Seit fünfzehn Jahren waren Manfred und Heike verheiratet. Glücklich und harmonisch konnte man die Ehe nicht nennen. Sie bestand einzig auf dem Papier. Eines Tages wachte Manfred neben Heike auf und schaute ins Nebenbett. Heike war ihm gleichgültig und total fremd. Beide langweilten sich entsetzlich, lebten nebeneinander her und hatten sich nichts mehr zu sagen. Manfred überlegte, warum ihm gerade jetzt finstere, verworrene Gedanken durch den Kopf schwirrten. Heike war ihm zuwider, das stand fest. Könnte sie nicht einfach aus seinem Leben verschwinden?
Seit einigen Monaten ertränkte Manfred seinen Frust in Bier und Schnaps. Täglich besuchte er die Kneipe unten an der Ecke und ließ sich volllaufen. Nachts schlich er betrunken torkelnd in die gemeinsame Wohnung zurück. Seine Heike verlor kein Wort über die Sauftouren. Den schönen Schein einer intakten Familie waren, für die Nachbarn, das war ihr wichtig.
Wie an jedem Abend besuchte Manfred, gleich nach der Arbeit, seine Stammkneipe. In dem Freundeskreis an der Theke fühlte er sich wohl und anerkannt. Heute allerdings war Manfreds Lieblingsplatz, der schäbige Hocker am Ende des Tresens, bereits besetzt.
Ein gutaussehender älterer Herr, im grauen Anzug, saß dort und trank einen Kaffee. „Eigentlich ist das mein Platz“, dachte Manfred und platzierte sich auf den nebenstehenden Schemel. Der Wirt schob, wie üblich, Bier und einen doppelten Schnaps über die Theke. Nach den ersten Schlucken starrte Manfred missmutig in das Bierglas, als könne er darin die Zukunft lesen. Der grauhaarige Herr musterte ihn mit einem dunklen Blick und fragte im Flüsterton: "Ärger gehabt heute? Sie sehen jedenfalls so aus!“ Manfred nahm einen kräftigen Schluck Bier und nickte:“ Zu Hause, mit meiner Frau, da läuft es nicht mehr. Darum sitze ich am Tresen. Hier fühle ich mich wohler. Von Zeit zu Zeit wünschte ich, sie wäre schlichtweg nicht mehr da. Ist das nicht schrecklich?“ „Das kann ich verstehen“, sagte der befremdliche Gast und rührte nebenbei ruhig in der Kaffeetasse. “Ihre Angelegenheit wird sich bald erledigen. Nächste Woche Montag ist das Problem gelöst. Nächste Woche Montag...!“ Ein kalter Hauch zog durch den Gastraum. Manfred schreckte aus seinen Gedanken hoch, blickte den fremden Mann kurz an, rutschte unbehaglich auf dem Hocker hin und her: “ Nächste Woche Montag? Was ist Montag? Was soll der Unsinn? Wollen Sie Spielchen mit mir treiben? Montag ist Montag!"
Der seltsame, bleiche Gefährte musterte Manfred durchdringend, trank den letzten Schluck Kaffee und legte Geld auf den Tresen. Mit einem Kopfnicken verabschiedete er sich: “ Nächste Woche, am Montag! Die Würfel sind gefallen, mein Freund!“ Die Kneipentür schloss sanft.
„Wer zum Teufel ...?“ Verblüfft stierte Manfred der fremden Gestalt hinterher, schnaubte verächtlich: "Komischer Kerl, den habe ich hier noch nie gesehen.“ Eine eisige Faust fasste ihm in den Nacken. Verschwitzt bestellte Manfred eine neue Runde. Den Doppelten trank er in einem Zug aus. Runde um Runde folgte. Bald war der eigenartige Gast vergessen. Heike schlief schon, als Manfred berauscht nach Hause kam. Sie ging jedem Streit aus dem Weg.

Zwei Tage später saß der sonderbare Herr im grauen Anzug wiederum auf Manfreds Lieblingsplatz. Aufmerksam sah er zu Manfred hinüber, grüßte kurz, rührte bedächtig in der Kaffeetasse. "Ein Bier, einen Doppelten“, rief Manfred dem Wirt zu. „Wie geht es zu Hause?“ fragte der Besucher mit eisiger Schärfe im Ton, “sie sehen übermüdet und gehetzt aus.“ Manfred Herz schlug ihm bis zum Hals:" Was geht Sie das an, es ist alles in Ordnung. Ich möchte in Ruhe mein Bier trinken!“ Wütend wäre er am liebsten aufgestanden und hätte die Kneipe gerne verlassen. „Nur noch einige Tage. Warten Sie es ab. Dann sind Sie erlöst, mein Herr. Am Montag“, erwiderte der Gast gedämpft, während er sich erhob um einen Geldschein auf den Tresen zu legen. Er lachte hämisch und entschwand. Manfred schüttelte ungläubig den Kopf, murmelte vor sich hin und bestellte sofort einen weiteren doppelten Schnaps. Er schluckte schwer: „Was war das für ein teuflisches Spiel?" Träumte er oder wachte er? Nicht einmal im Gasthaus hatte man seine Ruhe. Warum musste sich diese unheimliche Gestalt unbedingt in sein Leben mischen? Die Theke war doch groß genug. Und überhaupt...wo sollte Heike am nächsten Montag schon sein. Sie saß stets und ständig zu Hause! Einfach weggehen, das war nicht ihre Art. Manfred bestellte die nächste Runde. An diesen Abend beförderte ihn der Wirt um Mitternacht vor die Tür. Heike schwieg wie jedes Mal. Keine vorwurfsvollen Blicke, kein Gespräch, nichts. Sie drehte sich in ihrem Bett herum und schlief bald ein. Er hörte ihre leisen, müden Atemzüge und dachte an den mysteriösen Besucher in der Stammkneipe.

Nach einem anstrengenden Dienst am nächsten Tag, führte Manfreds Weg direkt an den Zapfhahn. Sollte der geheimnisvolle Typ ein weiteres Mal am Tresen sitzen, würde er sich einen anderen Tisch suchen. Niemand hatte das Recht, ihm das abendliche Vergnügen zu verderben.
Der Ecktisch war frei. Die üblichen Runden wurden bestellt. Nach einer Weile trat der rätselhafte Herr an Manfreds Tisch, rückte den Stuhl zurecht und setzte sich ganz selbstverständlich. „Nicht mehr lange Zeit und dann ist Ihr Problem gelöst. Ich verspreche es Ihnen. Ich halte mein Wort. Immer! Sie brauchen sich nicht mehr zu ärgern. Am Montag wird sich alles ändern!“ Zornig sprang Manfred auf. Der Stuhl kippte nach hinten, schlug heftig auf den Boden. „Was soll das, dieses Spiel ist nicht lustig. Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe. Ich kenne Sie nicht.“ Ungehalten torkelte Manfred zum Ausschank. Schwankend rutschte er auf einen Barhocker:" Einen Doppelten, aber ruck zuck!"
Der Wirt und die anderen Gäste schauten ihn einen Moment fragend an. Nach einem kurzen Kopfschütteln setzten die murmelnden Gespräche wieder ein.
Am Montag ging Manfred aufgewühlt, mit einem merkwürdigen Gefühl in der Magengegend, nach Hause. Heike begrüßte ihn kurz und stellte die Mahlzeit auf den Tisch. „War irgendetwas Außergewöhnliches?“ fragte Manfred und griff zum Besteck. „Nein“, alles ist wie immer, " flüsterte Heike verwundert, "was soll schon sein?" „Gut, ich muss nachher noch mal weg. In die Wirtschaft. Dort muss einiges geklärt werden. Kann heute später werden.“ “Ich weiß, “ antwortete Heike müde, „ich lege mich schon hin.“

In der Kneipe herrschte eine gähnende Leere, als Manfred eintrat. Er bestellte die gewohnten Getränke. Nach dem ersten Schluck Bier schaute er sich vorsichtig im Gastraum um. "Nicht viel los heute, was?“ fragte er den Wirt, und nahm einen kräftigen Schluck Bier. „Nein,“ antwortete dieser und spülte routiniert die Gläser ab.“ Montags ist selten Betrieb. Nur ein paar Stammgäste.“ „Der gepflegte Herr, der hier in den letzten Tagen am Tresen saß… wohl ein neuer Gast?“ Der Wirt dachte angestrengt nach:“ Ein Mann, ist mir nicht aufgefallen, wie soll er ausgesehen haben?“ Manfred brauchte einige Minuten um sich zu fangen. Ihm wurde übel: „Das gibt es doch nicht. Er saß genau hier am Tresen, auf meinem Hocker, trank Kaffee. Gepflegter Typ, dunkle Anzüge, eiskalter Blick. Ich sehe doch keine Gespenster.“ Der Wirt verzog keine Miene und schüttelte den Kopf:“ Also, ich kenne meine Gäste, wenn du dich da nicht getäuscht hast. Nein, dort saß kein älterer Herr im Anzug. Komm, trinke eine Runde, bald ist Feierabend!“ Manfred verspürte eine prickelnde, grausige Ahnung. Heute war Montag! Übereilt schluckte er das restliche Bier hinunter, knallte einige Münzen auf den Tresen und verließ fluchtartig den Gastraum. Zu Hause angekommen, öffnete er geräuschlos die Tür. Im Haus war es bedrohlich still. Totenstill. Auf Zehenspitzen schlich Manfred ins Schlafzimmer und sah Heike regungslos im Bett liegen. Angsterfüllt rief er ihren Namen. Heike schreckte hoch und schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ein stechender, beißender Schmerz durchzuckte Manfred. Er stöhnte laut auf, schnappte nach Luft. Seine Hände griffen zitternd an den Hals. Ihm wurde schwarz vor Augen und er sank zu Boden. Der Blick starr. Sein Herz stand still.

Edith Jürgens

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