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Kaffeekränzchen

Drei Begebenheiten fallen zusammen. Erstens bin ich mal wieder dran die Landfrauen zu einer gemeinsamen Kaffeetafel zu laden. Zweitens hatte ich neulich meinen Jubeltag und drittens habe ich noch niemanden meine neue Hose zeigen können. Per Telefon und Nachbarschaftsfunk sind Tag und Uhrzeit schnell verabredet. Die Vorbereitungen können beginnen. Dafür plane ich einige Tage ein. Wenn die Damen aus dem Dorf zu Besuch kommen, muss alles pikobello perfekt und die Wohnung glänzend sein. Wie damals auf der Hauswirtschaftsschule gelernt. Planung ist alles, darum schreibe ich zuerst eine lange Arbeitsliste. Der Einkauf für die Kaffeeveranstaltung steht ganz oben und spricht für die Wichtigkeit. Heidi ist Diabetikerin und achtet peinlich genau auf ihre Mahlzeiten. Für sie gibt es nur entsprechende Leckereien ohne Zuckeranteil. In meinen Kochbüchern suche ich Spezialrezepte zusammen. Edeltraut und Elke essen zu gerne Hefekuchen. Das ist, seit meiner Zeit an der Haushaltsschule, genannt „Puddingakademie“, eine besondere Herausforderung für mich. In Sachen Hefekuchen beherrsche ich die Kunst des „Aufgehens“ wenig. Brigitte, Karin und Ilse sind in unserem Frauenkreis als superschlank zu bezeichnen. Keine Ahnung wie sie das bewerkstelligen. Also muss ich eine entsprechende Torte mit viel Sahne zubereiten. Irmi ist die unkomplizierteste und futtert alles weg, was nach Kuchen aussieht.
Acht Mädels am Kaffeetisch, also muss ich mir Stühle von der Nachbarin ausleihen. Ihrer Ansage „ein Stuhl wackelt“ schenke ich kaum Beachtung. Kaffeetafel mit frischen Blumen schmücken, Gläser polieren bis sie funkeln wie Sterne, Servietten kunstvoll falten. Die Zeit wird knapp. Ist der Hefeteig schon aufgegangen? Die Uhr tickt schneller. Bloß nicht hektisch werden. Ich muss noch Sahne schlagen, Torte verzieren, Kaffee im Voraus kochen, Kerzen anzünden. Ach, und meine Wenigkeit ist auch noch nicht gestylt. Ich flitze hin und her. Den geplanten Ablauf habe ich nicht mehr im Kopf. Fix unter die Dusche hopsen, anschließend Kosmetik auftragen, Haare föhnen und... ach ja… mich in die neue Hose zwängen. Inzwischen versucht der Hefeteig aus der Backform zu flüchten und Sahne ist auch noch nicht geschlagen. Eine Stunde noch...!
Der Reißverschluss der Hose klemmt etwas. Ich versuche es mit Baucheinziehen. In dem Moment klingelt das Telefon. Ich hüpfe in den Flur, halte den Hosenbund mit einer Hand. Heidi ruft ihr aktuelles Blutzuckerergebnis durch die Muschel. Ich hätte jawohl Verständnis, das sie mit diesem Wert unmöglich zur Kaffeetafel kommen könne. Sie snattert weiter und ich halte meine Hose fester in der Hand: „Du, sei nicht sauer, aber ich lege jetzt auf. Ich muss noch Sahne schlagen, Kuchen anschneiden, Zucker umfüllen, Kaffee nachkochen und, und... bis später, alles Gute.“
Ich werfe mich auf die Couch, ziehe den Bauch ein und ruckel den Hosenreißverschluss nach oben. In der Küche bewaffne ich mich mit der Sahnetüte, als das Telefon ein zweites Mal klingelt. „Mein Auto springt nicht an. Wir müssen uns jetzt wohl ein Taxi nehmen, um zu dir zu kommen. Es könnte spät werden und Tschüss!“ Edeltraut knallt den Hörer auf. Wieder in der Küche registriere ich, dass mir das Atmen schwerfällt. Liegt wohl an der engen Hose. Ein Teil des Topfkuchens schafft den Übergang von der Kuchenform zur Tortenplatte nicht. Die Hälfte fällt daneben und krümelt in süße Einzelteile. Macht nichts. Es gibt noch den Hefezopf, die verzierte Torte und Kleingebäck. Der Mixer will gerade Sahne schlagen, da schellt die Haustürklingel. Es ist Irmi. Sie reicht mir einen Strauß Wiesenblümchen entgegen mit den Worten:“ Bin ich etwa zu früh? Kann dir ja in der Küche zur Hand gehen. Gewiss bist du noch nicht fertig!“ Nein, aber bald fertig mit der Welt. „Wo stehen die kleinen Vasen?“ „Hinten, ganz hinten im Vorratsraum“, murmle ich zwischen Küchengerät und Sahnetopf und höre den klirrenden Knall. Das war meine einzige kleine Vase. Kaputt! Zügig bücke ich mich nach Handfeger und Schaufel. Das Kommando für den Reißverschluss, der sich nun mit ein „ritsch“ aus den Zacken löst. Plötzlich bekomme ich besser Luft und verdonnere Irmi zum Sahneschlagen. Gerade als ich vor dem Kleiderschrank stehe, um mir eine längere Bluse, die den Reißverschluss verdeckt, anzuziehen, klingelt es laut und lange. Elke schnauft mir entgegen:“ Doch noch pünktlich geschafft. Nee, wenn das Auto hin ist, ist der halbe Nachmittag kaputt. Ach, Irmi ist ja schon da. Wie immer.“
Irgendwie habe ich es inzwischen geschafft den Reißverschluss zu tarnen, die Jacken und Mäntel aufzuhängen, Plätze anzuweisen und ein freundliches Gesicht aufzusetzen. Ich hole Kaffee aus der Küche. Plötzlich steht Uschi im Türrahmen. „Hallo, die Haustür stand weit offen. Ich dachte, ich komme mal vorbei. Habe gehört ihr habt Kaffeestunde. Meinen kleinen Schatzi habe ich mitgebracht. Du hast doch nichts gegen Hunde?“ Schatzi zieht und knurrt an der Leine. Aus der Küche ruft Irmi laut:“ Die Sahne ist hin, leider Butter. Sicher hast du doch irgendwo Sprühsahne?“ Langsam sackt mein Gute-Laune-Pegel auf null. Erschöpft und total kaputt sinke ich auf den wackeligen Stuhl. Puh! Endlich sitzen alle Damen am Tisch und begutachten Torten, Kuchen und Kleingebäck. „Toll, dein Hefeteig. Saftig und so schön hochgegangen!“ Das findet Schatzi auch. Flitzt mit seiner Leine los, wickelt sich vor Begeisterung jaulend um meinen Stuhl, der vor Materialermüdung kaputt zusammenfällt. Im Fallen nehme ich ein bisschen Tischdecke und meinen Kuchenteller mit. Uschi entscheidet sich in diesem Moment für frischen Tee. Von oben ruft sie herunter:“ Hast du noch den Früchtetee von neulich in der Küche? Ach, lass mal, ich geh selber...!“ Nett, von unten betrachtet ist so ein Landfrauentreffen zur Kaffeestunde echt super. Es regt den Kreislauf an und spätestens übermorgen kaufe ich mir endlich eine neue, passende Hose.

Edith Jürgens

Hauptstraße 61 b
06502 Thale - OT Friedrichsbrunn

 

Tel.: +49 (0) 39487 / 74 54 97
E-Mail: edith.juergens[a]gmx.net