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Die blaue Stunde

Die blaue Stunde nähert sich dem Ende. Eine besondere Stimmung zwischen Tag und Nacht beginnt. Gedankenverloren genieße ich die Augenblicke der Besinnung und schlendere über das verwaiste Hafengelände. Vertieftes dunkelblaues Licht zerfließt bedächtig in das Schwarze. Zerrissene Wolkenfetzen werfen rätselhafte Schatten über die Fläche. Sie huschen von Gerüst zu Gerüst, in geheimnisvolle Ecken, bleiben an den Stahlplatten im Dock hängen. Ich gehe in die blaue Stunde und finde meinen Frieden. Eine Vorahnung auf die heranziehende Nacht überkommt mich. Der Seewind bläst flüsternd die graue blaue Abendluft zu mir herüber. Heute werde ich keinen lichtgelb sprühenden Funkenregen mehr im matten Schimmer sehen. In der Ferne heult leidvoll ein Signalhorn den Feierabend ein. Klangwellen schweben als letzten Gruß über den verlassenen Terminal. Ein schillernder Ölfleck erzählt von einem arbeitsreichen Tag. Meine Blicke gleiten über rostige Wände nach oben in den halbdunklen Himmel. Möwenschwärme wirken tiefschwarz vor den dahinziehenden grauen Wolken. Wie der Tag anfing, graublau in seltsamer Stille, so geht er jetzt. Müde, mit marineblauen Bildern durch das diffuse Licht.
Geräusche entschwinden undeutlich in der Dämmerstunde. Schon überzieht ein Schweigen den regenfeuchten Terminal. Lediglich einige wenige Arbeiter der Nachtschicht wandeln schattengleich durch die blaue Stunde. Ich spüre, zwischen Sonnenuntergang und nächtlicher Finsternis, Einsamkeit im unwirklichen Ambiente. Imposant glänzende, stählerne Containerbrücken mit ihren Lichtarmen spiegeln in der rauschenden Nordsee. Kräne ziehen schnurrend die letzte Last an Bord. Jetzt steigen die Jongleure der Lastbrücken aus ihren matten Glaskästen die unzähligen Stufen hinab. Die Spuren des Tages verwelken. Magische Stimmung im schimmernden Licht. Weit entfernt gräuliche Pyramiden. Die Erzhalden flimmern im Dunst des Abends. Kümos tuckern durch das kobaltblaue Wasser an den sicheren Hafenkai. Gelber Scheinkranz um die strahlenden Toplichter. Letzte Geräusche an Bord verklingen in der herannahenden Schwärze.
Gelbrote Sonnenstreifen, abgehoben am fernen Horizont, vergessen das letzte Strahlen und erlöschen im Meer. Himmel und Meer vereinen sich zu einer Atmosphäre. Alles Irdische ist schon in Dunkelheit getaucht. Der Lichtschein eines Leuchtfeuers durchschneidet, unbeirrt störend im stetigen Rhythmus, die einhüllende Trübung, die melancholische Stimmung.
Längs der Liegeplätze flimmern die Fenster der ziegelroten Werkshallen blass gelb durch die trüben Scheiben. Ein vielfaches reflektierendes Farbspektrum gestreut in der Dämmerstunde.
Die nahe Kneipenszene wird lebendig. Die Lichter der Schankstuben erwarten mich, spiegeln sich im Abendschein und laden ein mit farbenfrohen Laternen zum herannahenden Feierabend. Sie halten für die letzten Hafenarbeiter Getränke bereit. Liedfetzen, Murmeln und Gläserklirren. Klänge in der dunklen Atmosphäre. Zauber der blauen Stunde. Zeit der Entspannung.
Die blaue Stunde, ein Zustand zwischen Wachheit und Traum. In dem Geheimnisvolles, mystisches aufscheint. Licht fließt ineinander. Der erlöschende Abgesang, hingezaubert in Schwarzblau vom Meer und Hafen.

Edith Jürgens

Hauptstraße 61 b
06502 Thale - OT Friedrichsbrunn

 

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