Was schleicht sich garantiert, nach der strengen Winterzeit, ganz gemächlich ins Land? Und das, ob wir wollen oder nicht? Seit Jahrtausenden ständig das gleiche Ritual. Nirgendwo können wir uns beschweren oder jemanden verklagen. Die Natur erwacht, das ist sogar kalendarisch festgelegt. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Der Lenz ist da! Ist das nicht großartig? Der Winter war lang, der Speckgürtel auf den Hüften ist ausladend. Veränderungen liegen in der Luft. Also, packen wir es an.
Wir sprechen an dieser Stelle von mehr als einer Jahreszeit. Die Frühlingslüfte rufen zum Neuanfang auf. Da fliegen nicht nur die Pollen. Auch die Liebe zeigt sich betont schwärmerisch. Ist der Partner neben mir auf dem Sofa noch der Richtige? Oder sollte man Nachbars Sohn näher in Augenschein nehmen? Der grüßt seit diversen Tagen am laufenden Meter strahlend über den Zaun. Alle Herzen sind sich zugetan. Die Menschheit hakt sich unter, kichert, ist bezaubert und entflammt. Sie haben wie gehabt keinen Partner abbekommen? Na, in diesem Frühjahr klappt es hundert Pro mit den Liebesschwüren.
Ach ja, alles ist so wohltuend grün und blau. Bei einigen Mitmenschen unter uns sind die Farben mehr schlecht als recht durch die Fenster zu erkennen. Hier wird es Zeit für einen Frühjahrsputz. Wischen, Entrümpeln, Putzen als mediales Reinigungsfest ist angesagt. Tausende wirbelnde Staubkörnchen strudeln vor uns her. Wir verfallen in manischen Scheuer – und Feudelzwang. Es gilt den grauen Winter mit Essigreiniger literweise sauberer als rein zu vertreiben. Das sorgt bei den modernen Frühlingskreaturen innen und außen für den frischen Kick.
Für die interne Reinigung empfehlen erfahrende Pflanzenforscher zusätzlich entschlackende Tees, dazu Leberwickel um energetisch das Holzelement zu kräftigen. Hä… werden einige, noch verschlafende Winterfreaks ausrufen. Holzelement? Was hat mein Küchentisch für frühlingsstärkende Wirkungen? Ist doch ganz einfach: Das chinesische Holzelement stärkt den Funktionskreis der Leber nebst Galle, gleichzeitig wird das Bindegewebe entsäuert. Wir verspüren Wachstum, dazu unheimliche Kreativität. Die gesamte Energie kehrt zurück im mystischen System. So richtig noch nicht? Da sitzt noch antiker Groll, obendrein manifestierte Bosheit in den Knochen? In diesem Fall ist die Hardcorevariante, eine Fastenkur mit nassen Ganzkörperwickeln, zu empfehlen.
Wo wir gerade davon sprechen: Neulich habe ich diese Fastenkur durchgeführt. Nicht das ich mit meiner Topmodelfigur das Abnehmen von Winterschlacke nötig hätte. Ok, ein paar Pfunde zieren meinen wohlgeformten Körper. Aber Schönheit braucht eben Platz. Vierzehn Tage ernährte ich mich mit Semmeln verschiedenster Güte, knackigen Zwieback und eimerweise Fastentee, statt Schokolade und Fett nebst Sahnekuchen. Entschlackt wurde gleichzeitig die Toilettenspülung. Diese war quasi vierzehn Tage im Dauereinsatz. Zu vorgerückter Stunde wurde meine hervorragende Erscheinung in nasskalten Wickeln eingelegt. Die Abstände zwischen den Fettzellen schienen sich zu reduzieren. Alle restlichen Faserstoffe produzierten Schweiß in ausufernden Mengen und siehe da, schwupps, war ich zwei Kilo leichter. Um total korrekt eine perfekte Frühlingsfigur zu erhalten, musste eine zusätzliche Bodystraffung her.
Bei entsprechend gedrosselter Kalorienzufuhr hängt die Körpermitte bekanntlich ratzfatz schwerkraftmäßig in Richtung Oberschenkel. Mittels Elektroschocks, Ultraschallbestrahlungen obendrein diverse Bauchmassagen mit Anti Cellulitis Lotionen kamen die fülligen Rundungen in Schwingungen. So wurde nebenbei auch das Portemonnaie gestrafft. Also, die 1175€ fürs stramm ziehen werden wir fraglos überhaben. Wird der Gürtel eben ab heute etwas enger geschnallt. Sodann hätten wir da noch das wintermüde Antlitz, das wir jeden Morgen mit Schreck im Spiegel betrachten. Eine frühlingsfrische Gesichtsbehandlung, mehrere Peelings mit Sauerstoff eingedampft, körpereigene Kollagene, kräftig unter die Haut geklopft. Das Ganze mit einer Ringelblumenganzkörpermassage vollendet. Das bringt den berühmten Liftingeffekt.
So gut wie faltenfrei, zugleich sieben Kilo leichter, schwebt Mann / Frau anschließend die Kellertreppe hinunter. Die alte Fußmatte chillt faul in der Ecke herum. Einfach so herumliegen geht gar nicht im Frühlingswahn. Auf geht es, mit dem Kokosteil unterm Arm, zum nächsten Yogakurs. Diverse Trainingseinheiten und Entspannungsatmungen inspirieren die spirituelle Kraft zum Neuanfang. Um mit den Griechen zu sprechen: Ein kerngesunder Geist, lebt in einem gesunden Körper. Ok, das erste Mal auf der Yogamatte besteht die Gefahr von Kreislaufschwierigkeiten, leichten Schwindelgefühlen und Verlust des Orientierungssinnes. Das ist ganz normal. Der hochrote Kopf mit den angeklebten, verschwitzten Haaren beruhigt sich zügig, spätestens auf dem fünfzig Kilometer langen Fahrradweg in Richtung Heimat. Der Körper verbrennt spielend bis zu dreitausend Kalorien. So eine Wiederbelebung beim Hausarzt ist Mal für Mal wieder schön.
Ganz ohne Frage ist das Atmen in der Frühlingsluft zu empfehlen. Atmen soll ja so bekömmlich sein, zugleich eine spontane Form des Selbstausdruckes. Lasse ich diesen Schatz unbeachtet, kippe ich friedvoll aus den Latschen. Daher nutze ich die Kostbarkeit bewusst und werde im wahrsten Sinne des Wortes aufleben. Das können alle gerne ausprobieren. Mehrere Male tief ein – und ausatmen, die pollenreiche Frühjahrsluft intensiv in den Bauch einsaugen. Ach, man fühlt sich gleich leichter, frischer, belebter. Direktemang wundervoll!
Mit der steigenden Lichtintensität im Wonnemonat Mai schüttet die Figur vermehrt Serotonin dazu Dopamin aus. Negative Gedanken werden entschärft, muskulöse Krampfzustände lösen sich in Wohlgefallen auf.
Auch Botanikliebhaber und Wandervögel zieht es ins Freie, um entgiftendes Grün, das blutreinigend und entsäuern wirken soll, zu sammeln. Jetzt sehen wir sie einmal mehr. Die Sonne bringt es an den Tag. Die haarigen, schlohweißen Extremitäten unterhalb der kräftigen vier Buchstaben. Die modischen Hotpants geben Krampfadern, dazu Besenreiser frei. Dünner Stoff in gebührender Länge würde die Elfenbeine mehr umschmeicheln. Diesen Ratschlag befolge ich unbedingt seit Jahren.
Es soll Leute geben, denen an Wonnegefühlen und ähnlichen Zuständen nichts liegt. Sie pflegen statt Frühlingsgesäusel die Frühjahrsmüdigkeit. Ach, ist das alles zum Gähnen! Morgens gegen vier Uhr zwitschern die Vögel wie irre. Nee, lass` man gut sein. Laute Geräusche gegen zehn Uhr morgens wären genauso in Ordnung. Alles kunterbunt? Graubraun ist auch eine nette, beruhigende Farbe. Die Mitmenschen kommen beim ersten Sonnenstrahl aus ihren Löchern? Meinetwegen könnten sie weiterhin drinnen bleiben. Sport im Freien? Was ist das denn! Von Sparflamme auf Großfeuer ist nicht jedermanns Sache, belastet einzig und allein den Kreislauf. Das Schlafhormon Melatonin kreist bei einigen Kollegen länger im Blutkreislauf. Die können nichts dafür…, wenn unendliche Ruhe und Gelassenheit ausgestrahlt wird.
So ist das mit dem Lenz…hasch mich, ich bin der Frühling. Eine prächtige Jahreszeit, der Winterschlaf ist dahin und die Frühjahrsmüdigkeit beginnt nach diesem gigantischen Beautyprogramm.